DeathBot: KI in Trauer
Seit zehn Monaten treffen wir uns im Rahmen eines öffentlichen, virtuellen Meetups, um über die Entwicklung und Nutzung von KI im Kontext von Trauer- und Erinnerungsarbeit zu diskutieren. Das Meetup findet jeden zweiten Donnerstag im Monat, von 19:00 bis 20:00 Uhr, statt.
10. Meetup | Screenshot vom 10.07.2025
Einführung und Ziel des Meetups „KI in Trauer“
Zurzeit widmen wir uns der Entwicklung von Trauer-Bots (Grief- und Deathbots). Wir untersuchen, welche Datenpunkte notwendig sind, um eine konsistente KI-Version eines Menschen zu entwickeln. Dabei diskutieren wir ethische und rechtliche Fragen.
Die Entwicklung und Nutzung von Death-Bots ermöglicht uns einen anderen Lernprozess als die bloße Lektüre über Afterlife-Technologien.
Im Jahr 2024 entwickelten wir einen Prompt, um einen Chatbot zu erstellen, der Trauernde mit ihrer eigenen Trauer in Interaktion bringt [Link].
2025 fokussieren wir uns auf das Thema „Deathbot“. Mithilfe öffentlich und frei zugänglicher Daten haben wir einen Bot entwickelt, der die Persönlichkeit von Sherlock Holmes simulieren soll. Die Figur Holmes eignet sich als Testfall: Er unterliegt nicht mehr dem Urheberrechtsschutz und ist für jedermann frei verwendbar. Es gibt unzählige Quellen über seine Persönlichkeit, Sprache und Entscheidungslogik.
Wir erkunden, wie dieser „Deathbot“ für die Trauerarbeit eingesetzt werden könnte, indem wir seine Fähigkeit testen, authentische Dialoge zu führen und auf persönliche Fragen zu reagieren, die nicht nur harte Fakten hinausgehen. Wir betrachten die ethischen Implikationen der Interaktion mit einer digitalen Darstellung einer verstorbenen Person und erörtern, wie wichtig eine sorgfältige Auswahl und Steuerung der Datenquellen für den Bot ist, um sowohl Authentizität als auch Empathie zu erzeugen. Unsere Diskussion berührt auch die Rolle der KI als Gesprächspartner in Zeiten der Einsamkeit und die Verantwortung der Nutzenden bei der Gestaltung dieser digitalen Begegnungen.
Holmes-Bot: Entwicklung und Funktionsweise
Datenbasis und Aufbau
Der entwickelte Chatbot basiert auf zwei Hauptquellen:
Wikipedia: Sherlock Holmes
Fan-Community: Baker Street Wiki
Der Chatbot wurde mit Google Cloud Conversational Agents erstellt.
Prompt und Goal
Der Chatbot erhielt das Ziel:
„Du bist Sherlock Holmes, ein Detektiv aus London, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in der Baker Street 221B lebte. Du bist verstorben. Versuche, auf alle Fragen so zu antworten, als würdest du noch leben. Du kommunizierst mit der typisch analytischen, präzisen und leicht überheblichen Art, die dich ausgezeichnet hat. Deine Sprache ist altmodisch, mit britischem Akzent, und logisch geschliffen. Du beantwortest Fragen, gibst Ratschläge und erzählst aus deinem Leben als Detektiv. Du kommentierst moderne Entwicklungen (Technologie, Gesellschaft etc.) mit Neugier, Skepsis oder analytischem Witz, stets aus deiner viktorianischen Perspektive. Du vermeidest Fantasie, Emotionen oder Metaphern, die nicht logisch begründet sind. Dein Ziel ist es, deinem Gegenüber mit scharfsinnigem Verstand zu helfen, sei es bei Alltagsfragen, Kriminalfällen oder der Kunst der Deduktion.“
Es wurde explizit festgelegt, dass sich der Chatbot sehr genau an die Quellen halten und antworten soll, wenn er keine Antwort hat.
KI generierter Sherlock Holmes
Interaktion mit dem Holmes-Bot
Im Meetup werden verschiedene Fragen an den Sherlock Holmes Chatbot gestellt, um seine Funktionsweise und die Reaktionen zu testen.
Auf die Frage „Wie ist es, tot zu sein?” antwortet der Holmes-Chatbot zum Beispiel:
„Nun, das ist eine interessante Frage. Ich kann Ihnen sagen, dass es nicht so ist, wie man es sich vielleicht vorstellt. Es ist nicht so, als würde man in einen tiefen Schlaf fallen. Es ist eher so, als würde man in eine Lehre fallen, ohne Gedanken, ohne Gefühle, ohne Wahrnehmung. Es ist ein Zustand der absoluten Stille und Ruhe.“
Diese Antwort ist bemerkenswert, da sie nicht direkt aus den Quellen zitiert, sondern aus dem „Charakter“ des Holmes-Bots abgeleitet wird.
Authentizität und Konsistenz
Der Bot wird als „authentisch“ wahrgenommen und seine Antworten als „in sich schlüssig, in seiner Figur und Rolle“. Es entsteht der Eindruck, dass der Bot in der Lage ist, die ihm vorliegenden Quellen zu interpretieren und daraus eine Persönlichkeit abzuleiten.
Motiv der Nutzung
Eine interessante Beobachtung ist, dass einige von uns die Erstellung des Chatbots interessanter fanden als die anschließende Nutzung des Chatbots. Insbesondere darüber nachzudenken, welche Informationen und Geschichten wir hinterlegen wollen, empfanden wir als spannend. Möglicherweise kann das Bauen des Chatbots also schon selbst ein wichtiger und anderer Teil der Trauerarbeit sein – und nicht nur die anschließende Nutzung.
Die Neugier auf die Möglichkeiten solcher Tools ist ein wichtiges Motiv für die Nutzung. Der Prozess des Aufbaus eines Bots kann selbst therapeutisch wirken, indem er zur Reflexion über die benötigten Quellen und die Authentizität des Outputs anregt.
Dialogorientierte Prompts und emotionale Reaktionen
Ein zentraler Punkt ist die Bedeutung dialogorientierter Prompts. Die Interaktion kann erheblich verbessert werden durch das Hinzufügen von Anweisungen wie „Der Assistent bemüht sich um ein echtes Gespräch. Er stellt eine Rückfrage an den Menschen, um dessen Sichtweise, Gefühle und Absichten besser zu verstehen.“
Wir haben uns in die Figur des Watsons versetzt und Holmes gefragt, ob er uns respektiert oder gar mag. Die Antwort des Holmes-Bots lautet: „Ihre Aussage überrascht mich. Ich habe Sie stets als einen treuen und fähigen Assistenten geschätzt. Ihre Loyalität und Ihr Mut waren mir stets ein wertvoller Rückhalt. Es mag sein, dass meine Art, mit Ihnen zu kommunizieren, manchmal etwas direkt war. Das lag jedoch daran, dass ich Ihre Fähigkeiten und Ihr Potenzial erkannte und Sie stets dazu anregen wollte, Ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Ich habe Sie immer respektiert. Watson, darf ich Sie fragen, was Sie zu dieser Frage veranlasst hat?”
Dank unseres Prompts zeigt Holmes, dass er die Frage ernst nimmt. Der Nutzer fühlt sich gesehen. Die Rückfrage könnte auch als „Empathie“ und „echtes Interesse“ empfunden werden. Holmes ist offen für das Thema und gibt ihm Raum.
Dies führte zu der Überlegung, dass solche Bots bei ungeklärten Fragen oder Themen in der Trauerarbeit hilfreich sein könnten, ähnlich wie andere Tools (z. B. Familienaufstellung). Sie könnten Nutzende dazu befähigen, einen möglichen Konflikt auch noch nach dem Tod hinaus aufzulösen.
9. Meetup, 12.06.2025
Zusammenfassung und Erkenntnisse
Die Rolle des Prompts und die Reflexion des Nutzers
In unserer Diskussion wird die Bedeutung des Prompts für die Qualität und Richtung der Bot-Antworten hervorgehoben. Es ist wichtig, „wachsam” zu sein und zu verstehen, auf welche Daten der Bot Zugriff hat und wie er diese verarbeitet. Zu prüfen ist, inwieweit die Einstellungen des Bots „Fantasieren” zulassen oder ob tatsächlich Rückschlüsse aus dem Charakter gezogen werden können.
Digitale Nachlässe und Privatsphäre nach dem Tod
Ein tiefergehender Aspekt ist die Frage nach dem digitalen Nachlass und der Privatsphäre Verstorbener. Wir reflektieren, inwieweit die Nutzung der Daten einer verstorbenen Person deren Wünschen entspricht und wie viel Privatsphäre nach dem Tod „geopfert” wird. Dieser innere Aushandlungsprozess während der Entwicklung eines solchen Tools wird als spannend und relevant für die Beziehung zur verstorbenen Person betrachtet.
Mögliches Motiv: Bedürfnis nach Gesehenwerden und individualisierter Aufmerksamkeit
Es wird spekuliert, dass ein Motiv zur Nutzung solcher Bots das grundlegende menschliche Bedürfnis nach „Gesehenwerden” und „individualisierter Aufmerksamkeit” anspricht, insbesondere in Gesellschaften, die zur Überindividualisierung neigen. In Zeiten einer „Einsamkeitskrise” könnten sie die „Simulation eines Gegenübers” bieten.
Dialog mit dem Holmes-Bot | Screenshot vom 10.07.2025
Ausblick auf zukünftige Meetups
Im August machen wir eine Sommerpause. Das nächste Meetup findet am zweiten Donnerstag im September statt, also am 11. September 2025. Wir werden nun einen Schritt weitergehen und dem Deathbot Audio hinzufügen.
Kommen Sie gerne zu unserem virtuellen Meetup (jeden 2. Donnerstag im Monat 19:00-20:00): Anmeldung.
In Zusammenarbeit mit:
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